Die Bad Schussenrieder Ortsgruppe des Naturschutzbunds NABU möchte dazu beitragen, dass sich die Wählerinnen und Wähler ein besseres Bild von den Gemeinderatskandidaten machen können. Dazu wurde an alle Listen, die bei der Wahl am 26. Mai kandidieren, ein Fragenkatalog verschickt. In unseren Antworten haben wir einmal mehr unterstrichen, dass uns eine nachhaltige und generationengerechte Kommunalpolitik sehr am Herzen liegt:
Verkehr-Innenstadt
Seit vielen Jahren gibt es die Umgehungsstraße, welche den gesamten überörtlichen Verkehr um Bad Schussenried leitet. Die Situation in der Innenstadt ist jedoch nach wie vor unbefriedigend, da die Wilhelm-Schussen-Straße wie auch die Bahnhofsstraße nicht ausreichend verkehrsberuhigt sind. Unter dieser Verkehrslast leidet auch die Umgestaltung der Wilhelm-Schussen-Straße, welche vor ca. 10 Jahren abgeschlossen wurde. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Verkehrssituation langfristig zu verbessern? Wo sehen Sie den Bedarf Radwege bzw. den ÖPNV auszubauen und deren Attraktivität zu steigern?
Die BWL möchte die Verkehrssituation weiter verbessern. Unser Ziel ist es, den Schwerlast- und Durchgangsverkehr in der Innenstadt weiter zu reduzieren. Hierfür soll sobald wie möglich die Beschilderung an der Sattenbeurer Kreuzung geändert werden, um den überregionalen Verkehr über die Umgehungsstraße zu leiten. Zudem wollen wir darauf hinwirken, dass die Kreuzung umgestaltet und eine abbiegende Vorfahrtsstraße von Norden her in Richtung Biberach/Umgehungsstraße wird.
Man muss sich aber auch bewusst machen, dass mittlerweile ein Großteil des innerstädtischen Verkehrs durch die Schussenrieder, als Ziel- und Quellverkehr, selbst verursacht wird. Die Möglichkeiten der weiteren Verkehrsberuhigung sind deshalb begrenzt. Eine Chance dazu sehen wir im Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Ein Bürgerbus, der die Teilorte und Wohngebiete mit der Innenstadt verbindet, wie in Aulendorf jüngst eingeführt, wäre vielleicht ein sinnvolles Angebot. Hier gilt es, die Erfahrungen der Nachbargemeinde zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Auch ein Blick nach Laupheim lohnt sich: Die Reaktivierung des Stadtbahnhofs dort ist eine Erfolgsgeschichte. Vor dem Hintergrund sollte zumindest die Schienentrasse in Bad Schussenried zwischen Innenstadt und Bahnhof nicht verbaut werden.
Auch bei den Radwegen sehen wir noch Verbesserungsbedarf. Unser Ziel ist, dass jeder Ort der Gemeinde gut mit dem Fahrrad erreichbar ist. Der Ausbau der Radwege sollte mit dem Radwegeprogramm des Kreises koordiniert und finanziert werden. Das Radwegenetz muss aber auch über die Gemeinde- und Landkreisgrenzen hinaus betrachtet werden, beispielsweise die Route nach Bad Waldsee. Der Ausbau des Radwegenetzes sollte dabei möglichst flächensparend geplant werden.
Biologische Vielfalt
Das Insekten- und Artensterben ist derzeit ein wichtiges Thema. Welche Konzepte und Maßnahmen, an welchen Orten, werden Sie in den nächsten Jahren hierzu erarbeiten, um eine Verbesserung im innerstädtischen Bereich wie auch im gesamten Gemeindegebiet zu erreichen?
Ein schonender Umgang mit unserer Natur ist uns ein wichtiges Anliegen. Vom Insekten- und Vogelsterben sind viele Nützlinge betroffen. Schadinsekten und Stechmücken werden dadurch zum Leidwesen der Menschen und unserer Nahrungsproduktion zunehmen. Deshalb werden wir alle sinnvollen und machbaren Maßnahmen zur Förderung unserer Vogel- und Insektenwelt unterstützen. Wir erwarten uns vom neu gegründeten Landschaftserhaltungsverband wirksame Maßnahmen, die über die vorhandenen Landesprogramme umgesetzt werden. Hierzu gehört, neben der Anlage von Blühstreifen, insbesondere die Förderung der Weidewirtschaft (der Dung einer einzigen Weidekuh erzeugt über 100 kg Insektenmasse, die wiederum Lebensgrundlage für über 500 Vögel ist). Wir möchten die Verwaltung beauftragen die gemeindeeigenen Flächen zu sichten und in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat ein Flächenkonzept zu erarbeiten. Hierbei soll unter anderem dargelegt werden, welche städtischen Wald- und Grünflächen naturnah bewirtschaftet werden können, um die Biologische Vielfalt zu fördern.
Innenstadtentwicklung und innerstädtische Freiflächen
Bad Schussenried bietet mit dem Klosterareal und der Schussen die besten Voraussetzungen für eine attraktive Innenstadt. Welche Projekte schweben Ihnen vor, dieses Potenzial zu nutzen? Gibt es hierfür schon genaue Zeithorizonte für deren Umsetzung? In Bad Schussenried gibt es aber auch ein unübersehbares Ladensterben. Was gedenken Sie hiergegen zu tun?
Die Schussen ist für Bad Schussenried von besonderer Bedeutung. Das Ziel, die Schussen von der Quelle bis zur Mündung in den Bodensee wieder vollständig offen fließen zu lassen, ist von besonderem Reiz und Wichtigkeit. Sofern eine Öffnung über Landesmittel möglich ist, wird diese von der BWL unterstützt werden. Wir wollen, dass ein geeigneter Verlauf gefunden wird, damit die vorhandene Bahnlinie nicht entwidmet werden muss. Das Klosterareal befindet sich im Landesbesitz, die hat Stadt hierauf derzeit keinen Zugriff. Mit der sanierten Klostermauer ist hier ein schöner Platz entstanden, der mit dem neuen Baugebiet am Martinsesch noch weiter ins Zentrum rückt.
Die leerstehenden Läden in der Innenstadt bereiten uns Sorge. Meist ist es sehr schwierig, einen Nachfolger zu finden, wenn Inhaber in Ruhestand gehen. Zudem entsprechen die Ladenflächen oftmals von der Größe her nicht den aktuellen Anforderungen. Die Verwaltung hat bereits jetzt einen eindeutigen Auftrag des Gemeinderats, sich mit dem Ladensterben zu befassen und die notwendigen Rahmenbedingungen für den Erhalt der innerstädtischen Ladengeschäfte in die Wege zu leiten. Diese Haltung wird auch von der BWL unterstützt. Gemeinsam mit Gewerbetreibenden, Eigentümern und Verwaltung wollen wir ein aktives Leerstandsmanagement auf den Weg bringen. Auch temporäre Zwischennutzungen wie zuletzt etwa ein Ladenflohmarkt, sind kreative Ansätze, die zur Belebung beitragen. Unser Ziel ist es, dass die Menschen ihre täglichen Besorgungen fußläufig in der Innenstadt erledigen können und dazu nicht auf die grüne Wiese fahren müssen. Damit beleben wir das Zentrum und wirken einer Zersiedelung entgegen.
Oberschwäbisches Ortsbild
Früher wurde bei der Genehmigung von Baugesuchen Wert darauf gelegt, dass das für Oberschwaben typische Orts- und Dorfbild mit steilen roten Satteldächern erhalten bleibt. Nicht zuletzt, um Bad Schussenried für den naturbewussten Individualtourismus attraktiv zu halten. Heute wird weniger darauf wertgelegt, mit der Folge, dass durch die individuelle Gestaltung der Dächer das Ortsbild nachhaltig beeinträchtigt wird. Der Kurpark ist ein Beispiel dafür. Was gedenken Sie hiergegen zu tun?
Der BWL liegt der Erhalt des oberschwäbischen Orts- und Landschaftsbilds am Herzen, es trägt zusammen mit der herrlichen oberschwäbischen Kulturlandschaft wesentlich zur Attraktivität unserer Heimat bei. Wir möchten uns deshalb dafür einsetzen, dass zum Beispiel Zweckbauten im Außenbereich diesem Ziel nicht entgegenwirken. Innerorts soll der typische oberschwäbische Charakter erhalten bleiben. Gleichwohl gibt es bei den BWL-Kandidaten verschiedene Meinungen darüber, inwieweit dafür private Bauherren eingeschränkt werden sollen. Auch über die Frage, ob der Kurpark tatsächlich das Ortsbild nachhaltig beeinträchtigt, lässt sich trefflich streiten. Unseres Erachtens sollen in Neubaugebieten auch die Belange der Erzeugung erneuerbarer Energien und der dezentralen Energieversorgung berücksichtigt werden – und dazu gehören konsequenterweise auch Photovoltaik- und Solaranlagen auf den Dächern.
Grundsätzlich wollen wir, dass sich Gemeinderat und Verwaltung in begleiteten Klausuren Gedanken über die künftige Bauentwicklung machen. So wollen wir gewährleisten, dass ökologische, ökonomische und soziale Interessen in Einklang gebracht werden, mit dem Ziel, sowohl das Orts- und Landschaftsbild zu berücksichtigen als auch bezahlbaren Wohnraum für Gering- und Normalverdiener sowie seniorengerechte Wohnformen zu schaffen.
CittaSlow
Im April 2010 wurde Bad Schussenried in die Internationale Vereinigung der lebenswerten Städte (Cittaslow) mit aufgenommen. Wir begrüßen dieses Engagement, da Ziele des CittaSlow Gedanken u.a. auch eine nachhaltige Umweltpolitik und Stadtentwicklung, wie auch die Förderung der typischen Kulturlandschaft und regionaltypischer Produkte beinhalten. Zwischenzeitlich wurden einige sehr schöne Veranstaltungen im Rahmen von CittaSlow etabliert, wie der Spezialitätenmarkt oder die lange Dinnertafel. Wir finden aber, dass man sich darauf nicht ausruhen darf. Welche weiteren Projekte im Rahmen von CittaSlow schweben Ihnen vor?
Im Zentrum des CittaSlow-Gedankens stehen ja Lebensqualität und Nachhaltigkeit. Dazu kann die Kommunalpolitik unseres Erachtens auf vielfältige Art und Weise beitragen, mit ganzheitlichem Denken und umsichtigem Handeln. Wir wollen zum Beispiel die regionale Wertschöpfung sowie die Vermarktung von heimischen Gütern und Produkten fördern. Wir wollen unsere schöne oberschwäbische Landschaft für Naherholung und sanften Tourismus erlebbar machen. Insbesondere aber wollen wir uns für eine bessere und vor allem konsequentere Bürgerbeteiligung stark machen: Die Ideen und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger müssen ernst genommen, gemeinsam erarbeitete Visionen und Konzepte wie seinerzeit in der Zukunftskonferenz müssen weiterverfolgt werden und letztlich in neue Projekte münden – das ist für uns glaubwürdige und nachhaltige Kommunalpolitik im Sinne von CittaSlow.
Unsere Antworten und auch die Stellungnahmen der anderen Listen sind auf der Internetseite des NABU Bad Schussenried veröffentlicht. Herzlichen Dank an den NABU für das Engagement!